Die Qualitätsermittlung der diesjährigen Ernte ist noch nicht abgeschlossen, aber schon ist klar, dass die Ernteergebnisse für die Müllerei wenig erfreulich sind. Die Speicher sind gefüllt, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in seinem Erntebericht richtig sagt, ein viel zu großer Teil davon taugt aber nur als Futtergetreide. Für die Mühlen wird es in diesem Jahr sehr herausfordernd, passende Partien zu identifizieren und zu beschaffen, um ihren Kunden – den Bäckern und der Lebensmittelindustrie – passgenaue Mehle für das tägliche Brot und viele andere Lebensmittel liefern zu können.
Dabei hat nicht nur der Regen in vielen Regionen zu Qualitätsproblemen beim Brotgetreide geführt. Die politischen Rahmenbedingungen haben einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die Qualität der Brotgetreideernte: Maßgeblicher Grund für die deutlich gesunkenen Proteingehalte im Weizen sind die starren Vorgaben der Düngeverordnung. „Qualitätsgetreide ‚made in Germany‘ steht auf dem Spiel und damit die regionale Versorgungs- und Ernährungssicherung“ sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des Verbandes der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS in Berlin.
Die Vorstellung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die heimische Landwirtschaft von synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln unabhängiger zu machen und so vom volatilen Weltmarkt abzukoppeln, ist weltfremd und kontraproduktiv. Im weitgehend deregulierten Getreidemarkt werden die Preise für Getreide an den Börsen weltweit gemacht, dabei spielen die Kosten im Ackerbau so gut wie keine Rolle. Die Extensivierung des Getreidebaus in Deutschland führt im Gegenteil zu einem größeren Importbedarf und zu mehr Abhängigkeit vom Weltmarkt.
„Deutschland kann stolz auf seine Ackerbauern sein“ sagt Peter Haarbeck, „die Landwirte haben Deutschland über die vergangenen Jahrzehnte zu einem der besten Getreidestandorte in der Welt gemacht. Jetzt gilt es den Blick auf die Sicherung der heimischen Versorgung zu legen: Eine gute Getreideernte ist der beste Weg, die Ernährungsversorgung krisenfest zu machen. Die Mühlen setzen darauf, sich auch in den nächsten Jahrzehnten aus der heimischen Landwirtschaft zu versorgen. Sie sind nicht daran interessiert, am Weltmarkt einkaufen zu müssen.“
Haarbeck weiter: „Und ja Minister Özdemir, die Lebensmittelpreise bleiben ein Inflationstreiber, besonders dann, wenn wir auf mineralische Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichten. Ohne ausreichenden Pflanzenschutz und ohne bedarfsgerechte Düngung werden Erträge und Getreidequalitäten fehlen. Geringes Angebot bei hoher Nachfrage führt zu hohen Preisen!“
Auch die Idee der Bundesregierung, Backweizenqualität neu zu denken und mit weniger Protein zu backen, kommt in der Praxis rasch an Grenzen. Dazu erklärt Peter Haarbeck: „Die Vorstellung, Backqualität vermehrt über Sorten zu regeln, ist nicht einfach erfüllbar. Auch die Getreidesorten, die mit niedrigeren Proteingehalten dennoch gute Backeigenschaften aufweisen, müssen ausreichend gedüngt und konsequent gesund erhalten werden. Zudem ist eine sortenreine Erfassung vom Getreidehandel insbesondere bei so chaotischen Ernten wie heuer nicht leistbar.“
Das alles zeigt: Die Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit liegen in der Wertschöpfungskette selbst, liegen in Landwirtschaft, Müllerei und Bäckerei. Die Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen flexible Vorgaben und Rahmenbedingungen, um die Getreidewertschöpfungskette krisen- und klimafest zu machen: Lösungen vorgeben ist keine Lösung! Sonst bleibt die Ernte ein „staatliches Lotteriespiel“!
zum Downmload:
VGMS-Pressemitteilung Ernte 2023