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Frühjahrstagung auf der Insel Reichenau

 

„Ihr arbeitet da, wo wir Urlaub machen“, stellte ein Müller aus dem Westen mit Blick auf Baden-Württemberg vor Jahren fest. Das gilt auch für Tagungen und so traf sich der Baden-Württembergische Müllerbund Mitte März auf der malerischen Klosterinsel Reichenau im Bodensee. Dort diskutierte man nicht nur über Anbaustrategien, Züchtungstechniken und Nachhaltigkeit, sondern besichtigte die Klosterkirche der Benediktinerabtei und nahm sich Zeit für persönlichen Austausch und Gespräche.

Stetige Anpassungsstrategien sind gefragt

Den Trend zu mehr pflanzenbasierter Ernährung betonte Ökotrophologin Doris Rath vom Forum Ernährung und Verbraucherbildung am Landratsamt Konstanz. Es steigt die Zahl derjenigen, die weniger, dafür aber gutes Fleisch essen möchten. Dies verstärkt die Nachfrage nach pflanzenbasierten Rezepten, bei denen Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen im Mittelpunkt stehen. Ebenso ist weiterhin Convenience Food gefragt, aber in Form von „gesundem Essen to go“: schnelle und gesunde Kochlösungen ohne Abstriche bei Gesundheit und Qualität. Dazu gehört auch das Vorkochen bzw. neudeutsch „Meal Prepping“.Inhaltsstoffe sollen gesund sein

Manche Verbraucher bauen wieder selbst Gemüse an und wirken damit ihrer gefühlten Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung – Stichwort Ukrainekrieg – und den gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten entgegen. Außerdem hinterfragen sie Lebensmittel, sie recherchieren, vertrauen den Bio-Siegeln nicht mehr ohne Weiteres und möchten genau wissen, welche Inhaltsstoffe ihnen guttun. Gesundheit und Wohlbefinden stehen für sie im Vordergrund. 

 

Längere Vegetationszeit bietet Chancen

Nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für den Pflanzenbau machte Martin Munz von der Saaten-Union angesichts des Klimawandels aus. So verlängert sich durch die kürzeren Winter die Vegetationszeit und es ist eine frühere Aussaat möglich. Oder auch eine späte Herbstaussaat mit Sommergetreide bzw. Wechselweizen. Die mit der Klimaveränderung einhergehenden Unwägbarkeiten wie Spätfröste im Frühjahr und Frühsommer mit Hitzetagen über 30°C stellen jedoch vor allem für das Wintergetreide ein Problem dar, da seine Abreife beschleunigt und die Erträge gemindert werden.

 

Die Sorte allein richtet es nicht

„Die Sorte allein wird es nicht richten, man muss auch im Anbau reagieren,“ betonte Munz auf der Reichenau. Er empfahl, auf Sorten mit unterschiedlichen Reifezeitpunkten zu setzen und in trockenen Gebieten verstärkt Grannenweizen anzubauen, da dieser die Feuchtigkeit besser halten kann. Auch eine ganzjährige Bodenbedeckung trage zur Kühlung des Bodens bei. Zudem fördere Zwischenfruchtanbau die biologische Aktivität und ermögliche den Böden, Starkregen besser aufzunehmen. Er verwies außerdem auf Kulturen wie Roggen, Durum, Hirse und Sonnenblumen, die mit Trockenstress besser umgehen und eine geringere Wasserzufuhr besser verwerten könnten. So benötige Roggen im Anbau ein Viertel weniger Wasser als Weizen.

 

Verwirrende Dinkelkennzeichnung

Eine genaue Kennzeichnung sieht der Gesetzgeber in Deutschland auch für Produkte mit Dinkel vor. Formulierungen wie „Dinkel, eine Weizenart oder „Dinkel-Weizen“ sorgen im Mühlenladen jedoch leider nach wie vor eher für Verwirrung, wie die Tagungsteilnehmer aus eigener Erfahrung wissen. Vor allem den jungen Konsumenten ist tatsächlich nicht immer bewusst, dass man Mehl und Teige aufgrund einer möglichen Belastung mit E-Coli-Bakterien (Stec) nicht roh essen sollte. Bärbel Hintermeier, Juristin beim Verband der Getreide-, Mühlen-, und Stärkewirtschaft (VGMS) e. V., riet den Betrieben daher, den Hinweis, dass Mehle und Teige nicht roh verzehrt und durcherhitzt werden müssen, auf ihren Mehltüten aufzubringen. „Damit erkennen die Behörden, dass Sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen.“

 

Allergene kennzeichnen

Auch die im Lebensmittel enthaltenen Allergene müssen genau gekennzeichnet sein. Dabei gilt für die Hersteller das Produkthaftungsgesetz, wonach Produkte gekennzeichnet werden müssen, deren Inhaltsstoffe zu allergischen Reaktionen führen können. Bärbel Hintermeier empfahl, nicht nur gewollt eingesetzte Zutaten mit Allergenpotenzial zu kennzeichnen. Auch ein Hinweis auf unbeabsichtigte Spuren im Sinne einer freiwilligen Spurenkennzeichnung sollte sicherheitshalber auf den Produktinformationen aufgeführt sein. Im Hinblick auf Nüsse erinnerte sie daran, dass laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden die Deklaration „Kann Schalenfrüchte enthalten“ nicht ausreichend sei, sondern dass diese genau benannt werden müssten.

 

Stromsparend verwiegen

Genau nachgeschaut bzw. nachgemessen wird auch bei der SWISCA AG aus dem schweizerischen Flawil. Deren Verwiege- und Dosierungssysteme stellte Firmenvertreter Stefan Schmitz vor. Die Systeme arbeiten mit stromsparenden Servomotoren, wodurch keine Druckluft und damit weniger Strom nötig sei. „Die meisten Mühlen kennen die Kosten ihrer Druckluft nicht und verbrauchen daher zu viel Strom, ohne sich dessen bewusst zu sein,“ war sich Schmitz sicher. Seine Systeme – darunter Schütt- und Dosierwaagen, Chargenwaagen, Differentialdosierwaagen und weitere – würden bei der Waage selbst nur Strom verbrauchen, sobald sich der Schieber öffne und schließe.

 

Gentechnik in der Öffentlichkeit

Trotz der der züchterischen Herausforderungen weiß Munz, dass Gentechnik in der Landwirtschaft von der deutschen Öffentlichkeit mehrheitlich abgelehnt wird. Dabei sind rund 80 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel bereits mit Gentechnik in Berührung gekommen, wie Klaus-Dieter Jany vom Wissenschaftskreis Genomik und Gentechnik e. V. erläuterte. „Steigt die Verbraucherakzeptanz, wenn durch Gentechnik gesundheitsfördernde Verbesserungen wie weniger Allergien oder sicherere Lebensmittel einfließen?“, fragte der frühere Leiter des Molekularbiologischen Zentrums (MBZ) an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, dem heutigen Max-Rubner-Institut (MRI), in die Runde. So sei in Großbritannien mit Hilfe der Crispr/Cas-Technik ein Weizen gezüchtet worden, bei dem die Asparagingehalt und damit die Acrylamidwerte bei der Erhitzung des Mehls niedriger seien.

 

Neue Züchtungstechniken

Jany ging auf die Diskussion über die Zulassung von Pflanzen ein, die mit neuen genomischen Techniken (NGT) wie etwa Punktmutationen oder mit Hilfe von arteigenem Genmaterial erzeugt werden. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen diese Pflanzen nicht mehr so streng reguliert werden wie gentechnisch veränderte Organismen (GVO), die über artfremde Gene verfügen. Lebens- und Futtermittel, die mit den neuen Techniken verändert werden, sollen nicht gekennzeichnet werden. Jany empfahl jedoch für die nun anstehenden Trilog-Verhandlungen von EU-Kommission und Mitgliedsstaaten eine Kennzeichnung der NT-Pflanzen, um Rückverfolgbarkeit und Sicherheitsbewertung zu gewährleisten.

 

Der CO2-Fußabdruck

Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 einzusparen. „Die damit verbundenen Maßnahmen werden auch kleine Betriebe betreffen,“ prognostizierte Silvan Trunz von der Bühler AG. Konkret bedeutet dies, dass mit dem Treibhausgas- bzw. THG-Rechner der CO2-Fußabdruck der Müllerei von der Produktion auf dem Feld bis zum Endverbraucher berechnet wird, inklusive Lager und Transport.

 

Herausforderungen durch Nachhaltigkeit

Für die Betriebe stellt die Nachhaltigkeit eine weitere Herausforderung dar, daher verwies Trunz auf langfristige Kostensenkungen durch Energieeinsparungen infolge optimierter Pneumatik- und Drucklufterzeugung sowie bei der Stromversorgung und den Motoren. Zudem will der deutsche Lebensmitteleinzelhandel die Nachhaltigkeitsziele erreichen und gibt die Anforderungen entsprechend an seine Lieferanten weiter. Wer die Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette seiner Produkte bemessen möchte, kann sich nach der Norm ISO 14607 tun zertifizieren lassen. Bühler bietet eine Nachhaltigkeitsbewertung an.

 

Ein Brot reift

Bevor das Frühjahrsseminar mit einem gemeinsamen Mittagessen beschlossen wurde, probierten die Anwesenden zusammen mit Manfred Stiefel vom Deutschen Brotinstitut Weinheim verschiedene Brotsorten aus. „Zeit ist die beste Zutat, die wir beim Backen haben, denn ein Brot reift,“ verdeutlichte Stiefel, Sachverständiger für Brot und Backwaren. Rund 300 Stoffe sind laut Stiefel an der Aromabildung beteiligt. Neben den Rohstoffen bringen Vorstufen, Gär- und Teigführung sowie die An- und Ausbackphase Geschmack ins Brot. Hauptträger des Aromas ist die Brotkruste, die wie ein Schutzmantel fungiert und das Brot länger frisch hält.

 

Text: Kornelia Dewald